Ihr Standort: movisco // Blog »
kontakt mail icon
kontakt phone icon

Jede Person mit einigermaßen fundierten Kenntnissen über volkswirtschaftliche Zusammenhänge dürfte geahnt haben, dass die steigenden Leitzinsen auch Auswirkungen auf den Bereich der Immobilienfinanzierung haben würden. Die tatsächliche Wucht hat dann aber selbst Expert:innen überrascht.

Immobilienfinanzierer: über Jahre im Aufwind

Seit dem Überwinden der großen Krise an den Kapitalmärkten 2007/2008 ging es bei den Immobilienfinanzierern deutlich nach oben. Die beiden Vermittler Interhyp und Hypoport meldeten wachsende Umsätze, also vermittelte Volumen, angefeuert von ständig steigenden Immobilienpreisen. Wer Ende der 80er-Jahre eine Immobilienfinanzierung abgeschlossen und zwischenzeitlich endgültig getilgt hat, dürfte sich nur die Augen gerieben haben. Denn während er für sein Darlehen ungefähr sieben Prozent Zinsen bezahlen musste, galt zuletzt eine Finanzierung mit einer Eins vor dem Komma bereits als teuer. Doch mit dem Krieg in Europa und steigenden Leitzinsen zur Bekämpfung inflationärer Tendenzen kam die große Wende.

Der Sommer-Schock in der Immobilienfinanzierung

Das Geschäft mit Immobiliendarlehen kennt ein traditionelles Sommerloch - wer im Urlaub weilt, schließt keinen Vertrag ab. Nachdem der Markt für Baufinanzierungen in Deutschland im Jahr 2021, also mitten in der Pandemie, auf das Rekordhoch von 1,47 Bio. EUR geklettert war, deutete in den ersten Monaten des Jahres 2022 nichts darauf hin, dass sich das im davorliegenden Sommer zurückgehende Geschäft nicht wieder saisonal erholen sollte – trotz des Angriffs Russlands auf die Ukraine und der folgenden Auswirkungen wie steigender Inflation.

Ende September 2022 jedoch sah sich der Branchenprimus und Börsenliebling Hypoport zu einer Gewinnwarnung veranlasst – nie ein gutes Zeichen. Üblicherweise kassiert ein Unternehmen mit einer Gewinnwarnung seine bisherige Prognose ein und stellt eine neue auf. Doch genau das blieb in diesem Fall aus. Stattdessen postulierte das Unternehmen, dass es „nicht vorhersehbar sei, ob die Zurückhaltung der Verbraucher in der privaten Immobilienfinanzierung im weiteren Jahresverlauf beendet werde“. Die Quittung am Aktienmarkt folgte prompt - Hypoport büßte an der Börse 80 Prozent seines Handelswerts ein. Als wenige Wochen später in einer Umfrage des Handelsblatts die Sparkassen von einem Rückgang des Geschäfts um 30 Prozent berichteten, wurde deutlich, dass es sich hier nicht um einen saisonalen Abschwung handelt. Die Immobilienfinanzierung in Deutschland war in die Krise geschlittert.

Ein Schock für Analysten, Anlegerinnen und Anleger - und natürlich die Banken. Zwar hatte es vereinzelte erste Warnzeichen gegeben, wie einen auf den bekannten Internet-Plattformen spürbaren Rückgang der Nachfrage, aber die Wucht dieses Abschwungs überraschte schon. Was auch damit zu tun hat, dass der Markt für Immobiliendarlehen trotz seiner Datengröße wenig öffentliche Statistiken und Charts liefert.

Immobilienmarkt: schwierige Gemengelage mit ungewisser Aussicht auf Besserung

Die nackten Zahlen beeindrucken, werfen aber die Frage nach den Gründen auf. Und an dieser Stelle gibt es keine einfache Antwort. Hypoport hat mit seiner Vermittlungsplattform Europace einen guten Überblick über das Marktgeschehen. Und das Unternehmen meldet im Juni ein Sinken der durchschnittlichen Transaktionspreise für Wohnimmobilien nach 11 (!) Jahren.

Aus der Marktperspektive betrachtet, lässt sich die Situation so beschreiben, dass die Interessen der Verkaufenden und der Nachfragenden aktuell divergieren. Wer sich für eine Immobilie interessiert, hält sich offenbar aktuell zurück. Begründet einerseits – beim “Otto-Nomalfinanzierer” von den wirtschaftlichen Unsicherheiten und der Sorge um die eigene Zukunft. Andererseits verhalten sich  gutbetuchte Investoren momentan zurückhaltend, da sie offenbar mit einem Sinken der Preise rechnen und daher nicht zu früh kaufen wollen. Geht es also beim Investment nicht um die Schaffung eines eigenen Heims, sondern zählen Renditegesichtspunkte, erscheint bei steigenden Zinsen der Immobilienerwerb derzeit nicht sonderlich attraktiv, da die Rendite hinter den Darlehenszinsen zurückbleibt.

Auf der anderen Seite stehen die Verkaufenden, die aktuell noch nicht bereits sind, solche Preisabschläge zu gewähren. Zum einen erodiert die hohe Inflation den Erlös. Zum anderen gingen seit 11 Jahren die Immobilienpreise stets nach oben; selbst (und gerade) während der Pandemie, die wahrlich Unsicherheiten und Verwerfungen in der Wirtschaft produzierte (aber auch Viele zum Kauf einer Immobilie auf dem Land oder im Speckgürtel der Städte verlockte). Der Gedanke, dass der Wert des eigenen Hauses oder Wohnung nun gerade deutlich sinken könnte, bringt die Verkaufenden zum Zögern. Folglich kommt kein Geschäft zustande und eine Finanzierung wird schlicht überflüssig. Aus dieser Perspektive betrachtet, scheinen Banken, Sparkassen und Darlehensvermittler also lediglich Opfer des Marktes zu sein.

Banken im Korsett der Regulatorik eingeschnürt

Das mag in weiten Teilen auch zutreffen; aber sie sind auch Akteure auf dem Markt. Und hier sind sie Gefangene des eigenen Risikomanagements und der Regulatorik (siehe vertiefend). Denn seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben viele Institute die Vergabekriterien für Immobiliendarlehen verschärft. Und wenn man Berichten glaubt, teilweise massiv.

Aus Sicht des Risikomanagements gibt es dafür auch gute Gründe. Die unsichere Wirtschaftslage, damit gepaart die schwerer einschätzbaren Zukunftsaussichten der Darlehensnehmer:innen sowie deren insgesamt schlechtere Bonität.

Finanzierer: Risikomanagement adjustieren

Das Problem: Mit der Verschärfung der Vergabekriterien würgen die Institute die sich trotz der Marktschwierigkeiten noch ergebenden Geschäfte ab. Salopp formuliert: Sie befeuern noch die Krise.

Während in den vergangenen Jahren die Immobilienfinanzierung eine wichtige Ertragsquelle im Kreditgeschäft für die Banken war, ist diese nun deutlich eingebrochen. Wann sich dieses Bild wieder nachhaltig verändern wird, ist derzeit unklar – siehe auch den movisco-Blogbeitrag zu den Entwicklungen im Bakensektor 2023.

Am Ende wird es der Markt richten – bis dahin ist es nur ein schwacher Trost, dass steigende Zinsen bei den Anleger:innen anderer Assetklassen wieder die Lust auf Investitionen wachsen lässt. Denn auch hier bleiben die Märkte (nicht nur im Segment der Kryptowährungen) extrem volatil.

Somit bleibt Banken zum jetzigen Zeitpunkt nur, weiter auf ihre Kosten zu achten, vorsichtig ihr Risikomanagement zu adjustieren - und schlicht auf bessere Zeiten auf dem Immobilienmarkt zu hoffen.

 

Die movisco AG steht ihren institutionellen Kunden gerade auch im Risikomanagement beratend und unterstützend zur Seite, Ihr Ansprechpartner ist Stefan Bachinger: Stefan.Bachinger@movisco.com


Ihre Ansprechpartnerin

Susanne Jung

info@movisco.com
elektronische Visitenkarte

Fon +49 40 767 53 777

Schnellkontakt-Formular

Die abgesendeten Daten werden nur zum Zweck der Bearbeitung Ihres Anliegens verarbeitet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Datenschutz bestätigt?

Sie haben Fragen?

Wir freuen uns über Ihre direkte Kontaktaufnahme!

  • Telefon: +49 40 767 53 777
  • E-Mail