Die grüne Anleihe, auch Klimaanleihe (Climate Bond) genannt, ist ein Finanzinstrument, das seinem konventionellen Pendant in seiner Ausgestaltung weitestgehend ähnlich ist. Allerdings wird der Verwendungszweck dieses Wertpapieres darauf beschränkt, dass die erhobenen Geldmittel zum Klima- und Umweltschutz beitragen müssen, was den Übergang zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem begünstigen soll. Die Definition und Kontrolle dieser Vorgaben obliegt bislang allerdings lediglich privatwirtschaftlichen Organisationen wie beispielsweise der International Capital Market Association (ICMA), die mit den Green Bond Principles (GBP) das aktuelle Standardwerk konzipiert hat. Da Verhaltenscodices von Branchenverbänden wie der ICMA nicht die gleiche Legitimität oder das Durchsetzungsvermögen einer staatlichen Institution haben, besteht die Möglichkeit des Greenwashings. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission am 06. Juli 2021 den Legislativvorschlag für den Entwurf eines europäischen Standards für grüne Anleihen (EU GBS) publiziert.
In unserem movisco-Blogbeitrag Sustainable Finance - Nachhaltige Finanzwirtschaft bedarf einer neuen Regulatorik beleuchteten wir bereits die fehlende Regulatorik und einheitliche Definition von Begriffen im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft. Der EU GBS soll mithelfen, diese regulatorische Lücke füllen.
Die vier Kernkomponenten EU GBS-Rahmens stellen die regulatorischen Eckpfeiler des Standards dar, wobei die Ausrichtung auf die EU-Taxonomie-Verordnung als erste Kernkomponente die Basis bildet. Das bedeutet, dass die Erlöse aus der Anleihe in Projekte fließen sollten, die eng mit den in der Taxonomie aufgeführten Kriterien für ökologische und nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind. Die Anforderungen an Transparenz, Berichterstattung und Reporting, also Kernkomponenten (2), (3) und (4), beschreiben die Offenlegungspflichten, denen der Emittent einer EU-Anleihe vor und nach Ausgabe nachkommen muss. Sie werden im folgenden Absatz näher erläutert.
Ex ante ist der Emittent angehalten, einen „Green Bond Fact Sheet“ zu publizieren, der die genauen Finanzierungs- und Umweltziele der Anleihe beinhaltet. Dieses Formular ist dem der „Bond Frameworks“ von ESG-Anleiheemittenten ähnlich, allerdings sieht der EU GBS vor, dass das Format des Formulars mit einer Mustervorlage vorgegeben wird. Ex post, nach erfolgter Emission der Anleihe, besteht die Pflicht, eine jährliche Zuteilungsberichterstattung vorzulegen, die bis zur vollen Allokation der Emissionserlöse aktiv bleibt Außerdem muss der Emittent wenigstens einmalig einen „EU GB-Impact-Report“ veröffentlichen, der eine Aggregation sämtlicher positiven und potenziell negativen Auswirkungen des finanzierten Projekts für Umwelt und Klima aufführt. Hierbei hat der Emittent auch über seine Umweltstrategie zu berichten und wie diese mit der EU-Taxonomie übereinstimmt (2). Das Fact Sheet muss zudem vor der Emission von einem externen Gutachter überprüft werden, der akkreditiert, dass der Bond die Voraussetzungen des EU GBS erfüllt. Im Anschluss an die Anleihefälligkeit und der vollständigen Mittelverwendung unterliegt der Emittent einer Nachprüfung, die ebenfalls von einem externen Gutachter durchgeführt wird (3). Diese Gutachter oder Prüfungsunternehmen müssen sich bei der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) registrieren und ihr Review-Prozess wird darüber hinaus, zur Sicherstellung der Reliabilität, von der ESMA beaufsichtigt (4).
Die Frage ist nun, ob die Regelungen und anspruchsvollen Standards des EU GBS einen Beitrag dazu leisten, um für mehr Transparenz zu sorgen und den Etikettenschwindel in dem Wachstumsmarkt rund um nachhaltige Finanzprodukte einzudämmen.
Der Entwurf aus dem Jahr 2021 sieht vor, dass die darin bestehenden Anforderungen nach der Einführung zunächst freiwilligen Charakter besitzen, im Zeitraum von 2023 bis 2028 jedoch verbindlich für alle auf den europäischen Finanzmärkten gehandelten Green Bonds gelten sollen. Emittenten, die nicht unter die Jurisdiktion der EU fallen, haben zudem die Möglichkeit, ihre Finanzprodukte freiwillig EU GBS-zertifizieren zu lassen.
In ihrer Analyse prognostiziert die ICMA allerdings, dass die mit den EU GBS verbundenen Anforderungen eine ganz erhebliche organisatorische Herausforderung und zusätzliche Kosten für Emittenten bedeuten.
Fast die Hälfte des globalen Emissionsvolumens (49%) der emittierten Green Bonds wurde im Jahre 2020 in EURO begeben, was den EURO-Raum zum wichtigsten Binnenmarkt für diese Finanzprodukte macht. Allerdings ist der Anteil von Green Bonds am gesamten Anleihemarkt mit lediglich 2,6% noch gering. Zur im Jahr 2021 angelaufenen Aufbau- und Resilienzfazilität, die Bestandteil des Krisenbewältigungsprogramm der EU für die Auswirkungen der Corona-Pandemie ist, gehört auch die NGEU-Anleihe, die ihrerseits zum weiteren Marktwachstum und zur Verwirklichung des European Green Deals beiträgt.
Der EU GBS muss einen schmalen Grat beschreiten. Einerseits muss das EU GBS-Siegel zugänglich sein, um neue Emissionen im Markt zu begünstigen und die Attraktivität des Green-Bond-Markts als Ganzes zu gewährleisten. Eine flexible Verordnung, die auch die Finanzierung von Übergangstechnologien erlaubt und sich so weit über die EU-Grenzen hinaus als „Goldstandard“ für grüne Anleihen etablieren kann, ist dafür notwendig. Anderseits werden strikte Anforderungen benötigt, um die Glaubwürdigkeit des Markts für Green Bonds zu stärken, indem man falsche Zertifizierungen und, infolgedessen, Greenwashing verhindert.
Im Mai hat das Europäische Parlament den lang ersehnten Report zum oben genannten Vorschlag der Kommission publiziert. Darin werden im Wesentlichen neue, bzw. zusätzliche Anforderungen an Emittenten bezüglich Transparenz gestellt, sowie Reformen für den Green-Bond-Markt und eine umfassendere Aufsicht formuliert. Nähere Informationen können Sie auf der offiziellen Website des europäischen Parlaments finden.
Aktuell führt der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten der Währungsunion über die Einführung des EU GBS.
Was halten Sie vom EU GBS-Entwurf für die Standardisierung grüner Anleihen? Ist er zu restriktiv oder geht er nicht weit genug? Teilen Sie uns gerne Ihre Auffassung hierzu mit!
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