Im Juli Urlaub am Strand? Im Januar zum Skifahren in die Berge? Für Mitarbeitende im Meldewesen von Banken ist das zurzeit undenkbar. Die steigende Anzahl von Meldeanforderungen und den damit verbundenen Templates, die regelmäßig zu befüllen sind, führt zu einem erhöhten Arbeitsaufwand. Insbesondere in den Spitzenzeiten nach dem Quartals- und natürlich dem Jahresultimo.
Doch was wäre, wenn man in Zukunft gar keine Meldebögen mehr abgeben müsste? Wenn die Aufsicht sich ihre Auswertungen selbst zusammenbauen würde? Wenn man einen geeigneten Weg finden würde, der Aufsicht Zugriff auf die granularen Daten der Bank zu geben? Wäre sowas denkbar?
Kurzgesagt: Ja.
Und da soll die Aufsicht mitmachen?
Eine solches Zielbild ist nicht nur der ferne Traum überlasteter Meldewesen-Mitarbeiter, sondern findet auch auf der anderen Seite des Meldebogens – bei der Bankenaufsicht – Anklang. Diese würde durch den unmittelbaren Zugriff auf die Daten der beaufsichtigten Banken vollkommen neue Auswertungsmöglichkeiten bekommen. Der zunehmende Wissensdurst müsste nicht mehr in Form von Ad-hoc Anfragen adressiert werden. Die Aufseher selbst könnten sich neue Datenaggregate definieren, um ihre Analysen durchzuführen.
Daher überrascht es nicht, dass neben internationalen Bestrebungen in dieser Richtung auch die BaFin berechtigtes Interesse am Vorantreiben dieser Idee hat. Daher hat die BaFin im Jahr 2022 zusammen mit einigen Banken, Verbänden, Beratungshäusern und Rechenzentren eine „Machbarkeitsstudie zur Neuausrichtung des bankaufsichtlichen Meldewesens“ durchgeführt, um zu beleuchten, ob eine solch radikale Änderung des Status quo nicht nur denkbar, sondern auch machbar ist.
Die 3 Ziele der Studie
In der durchgeführten Studie wurden drei Ziele definiert, die durch eine Neugestaltung des Meldewesens unbedingt erreicht werden müssen:
Dazu wurden im Wesentlichen zwei Szenarien untersucht.
Das konservative Szenario: Meldungserstellung as a Service
Im konservativen Szenario, bei der die zu erstellenden Templates erhalten bleiben, würden diese zukünftig nicht mehr durch die Institute, sondern durch die Aufsichtsbehörde befüllt werden. In diesem Szenario würden die Banken der Aufsicht granulare Daten liefern und anschließend die befüllten Meldebögen zur Qualitätssicherung zurückbekommen. Damit würde die Verantwortung sowohl für die Korrektheit der zugelieferten Daten als auch für die Korrektheit der daraus erzeugten Aggregate bei den Banken liegen, was dem Ziel der Entlastung widerspricht.
Das radikale Szenario: Wegfall aller Templates
Das zweite und – Achtung Spoiler – von der BaFin bevorzugte Szenario betrachtet den kompletten Wegfall aller Templates. Dies wäre nicht nur eine radikale Änderung des aktuellen Meldewesens, sondern würde auch eine Änderung von EU- und nationalem Recht nötig machen. Die Erstellung der Templates ist schließlich aktuell gesetzlich vorgeschrieben.
Kurzgesagt: So.
Die Grundlage bildet das gemeinsame Datenmodell
Im präferierten Zielbild der Studie bilden ein einheitliches Datenmodell und ein maschinenlesbares einheitliches Regelwerk für Datenqualität und Aggregate das Digitale Fundament der Lösung. Dabei ist das von der EZB entwickelte „Datenwörterbuch“ BIRD (Bank’s Integrated Reporting Dictionary) eine gute Grundlage, muss aber noch erweitert werden. Eine solche Weiterentwicklung ist mit dem RDD (Regulatory Data Dictionary) auf EU-Ebene bereits in Planung.
Die Ankerwerte werden weiterhin im Institut berechnet.
Auch wenn die Meldebögen abgeschafft würden, haben große Teile der bisherigen Meldeinhalte für die Institute unverzichtbaren Charakter, weil sie auch zur internen Steuerung herangezogen werden. Diese sogenannten Ankerwerte (Anchor Values) wie z.B. Kapitalquoten oder Liquiditätskennzahlen würden selbst im radikalen Zielbild noch durch die Institute ermittelt werden und zusammen mit den granularen Daten im sogenannten BIRD X-Datenmodell an die Aufsicht übergeben werden.
Datenübergabe und Datenabnahme
Die Aufsichtsbehörde prüft dann direkt bei Datenübergabe die Plausibilität und Vollständigkeit der erhaltenen Daten und ist somit in der Lage, unmittelbar Fehlermeldungen zurück an den Absender zu schicken und um Nachbesserung zu bitten.
Flexibilisierung der aufsichtlichen Analysen
Die Aufsicht hat als Datenempfänger nun standardisierte, vergleichbare und vor allem granulare Daten von all ihren betreuten Banken vorliegen. Somit kann sie zentral Aggregate bilden, Drill Down Funktionen nutzen, die Daten verschiedener Institute miteinander verknüpfen und vergleichen. Auch Ad-hoc Analysen und Simulationen können durch die Aufsicht selbst erstellt werden.
Offene Fragen
Das ambitionierte Ziel einer Welt ohne Meldebögen bringt aufgrund des hohen Maßes an Integration und Standardisierung einen hohen initialen Abstimmungsbedarf mit sich. So muss beispielsweise ein zentrales Datenmodell, das die Besonderheiten aller Marktteilnehmer angemessen berücksichtigt, noch final entwickelt werden. Auch die Art und Weise sowie die Häufigkeit der Datenzulieferung sowie die Anforderungen an Datenqualität, Datenschutz und Datensicherheit sind noch zu klären.
Auch wenn die Aufsicht sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene den Wünschen der Bankenwelt in Bezug auf mehr Standardisierung und Erleichterung im Meldewesen offen gegenübersteht und ein zukünftiger Wegfall aller Meldebögen durchaus möglich ist, werden uns die Urlaubssperren in den Meldewesenabteilungen wohl noch ein Paar Jahre lang begleiten.
Banken sollten die aktuellen Entwicklungen genau verfolgen und sich die Frage stellen, welche Auswirkungen sie auf die Meldewesen-Abteilungen haben wird. Künftig wird es weniger Analysebedarf für fachliche Anforderungen und die Auslegung von Gesetzestexten geben. Stattdessen rückt die Standardisierung des Datenmodells und damit auch die Erhöhung der Datenqualität noch weiter in den Fokus. Nachgelagerte Korrekturen von Meldepositionen beispielsweise in Excel-Tools werden nicht mehr möglich sein.
Die Experten der movisco AG beraten seit Jahren ihre Kunden in der deutschsprachigen Bankenwelt in den Bereichen Reporting und Meldewesen und legen dabei einen starken Fokus auf das Thema Daten.
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