Der Aufstieg von Neobanken, die stetig kleiner werdenden Filialnetze und die zunehmende Bedeutung von KI und Cybersicherheit werfen die Frage auf, wie sich die Anforderungen der Banken an ihr Personal und somit die Berufsbilder im Bankenwesen wandeln und wie zukunftssicher der Job von klassischen Bankkaufleuten noch ist.
Die Zahl der Beschäftigten im deutschen Bankensektor ist in den letzten Jahren zurückgegangen und ist im Jahr 2022 auf den niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren gesunken. In den letzten 20 Jahren ist zudem die Zahl der Personen, die in Deutschland eine Ausbildung zum/zur Bankkaufmann/-frau absolviert haben, deutlich zurückgegangen.
Als Hauptgrund gilt die zunehmende Automatisierung in der Finanzbranche und somit der sinkende Bedarf an klassischen Bankkaufleuten. In Bayern beispielsweise plant die Bayerische Landesbank (BayernLB), künftig keine Bankkaufleute mehr auszubilden. Dazu kommt, dass 66 % der Bankkaufleute anderen von ihrem Beruf eher ab- als zuraten würden.
Diese und weitere Hintergründe der stetig sinkenden Absolventenzahlen sollen in diesem Blogbeitrag anhand verschiedener Punkte beleuchtet werden.
Traditionell war der Bankkaufmann durch wichtige Tätigkeiten wie die Eröffnung von Konten, die Bearbeitung von Einlagen und die Verwaltung von Krediten sowie aufgrund attraktiver Gehälter und hohen Ansehens ein begehrter und respektierter Beruf und beliebt in der deutschen Ausbildungslandschaft. Der Beruf wurde als Tor zu einer möglicherweise steilen Karriere in der Branche angesehen.
Laut dem Edelman Trust Barometer 2021 ist jedoch das Vertrauen in Finanzinstitute in Deutschland deutlich gesunken. Nur 37 Prozent der dort Befragten halten den Sektor für vertrauenswürdig. Der Bericht zeigt, dass der Sektor seinen Ruf, der während der Finanzkrise 2008 beschädigt wurde und sich durch allseits bekannte Bankenskandale im Zusammenhang mit Geldwäsche und Betrug noch verschlechtert hat, noch nicht wiederherstellen konnte. Bemerkenswert ist, dass die jüngeren Generationen besonders wenig Vertrauen in den Finanzsektor haben und neue Finanzdienstleister den traditionellen Banken vorziehen.
Die deutschen Banken suchen seit der Finanzkrise und im Zuge des schwindenden Kundenkontaktes Mitarbeiter mit Fähigkeiten, die dazu beitragen, den Ruf der Institute zu verbessern. Auch durch erhöhte regulatorische Anforderungen in Folge der Finanzkrise gibt es eine Verlagerung der Aufgabentätigkeiten.
Direktbanken und Neobanken haben den Bankensektor herausgefordert und in Deutschland erfreut sich der Trend zu reinen Online-Banken zunehmender Beliebtheit.
In dem Maße, in dem sich der Bankensektor weiterentwickelt, verändern sich auch die Aufgaben der Mitarbeiter. Der Bedarf an traditionellen Bankaufgaben nimmt ab und wird durch neue Berufsfelder innerhalb des Bankenwesens abgelöst. Beispielsweise bieten die ersten Volksbanken Raiffeisenbanken eine Ausbildung zum Kaufmann/zur Kauffrau im E-Commerce an. Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Bank, die einen neuen Ausbildungsberuf als "Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement" anbietet. Hier werden die Auszubildenden auf die Anforderungen der Banken im Zeitalter der Digitalisierung vorbereitet.
Auch Online-Banken verlangen von ihren Mitarbeitern schlicht andere Fähigkeiten, wie beispielsweise technologische Kenntnisse und Verständnis für das Online-Kundenverhalten, darunter UX Specialists, Softwareentwickler, Datenanalysten und Experten für Cybersicherheit.
Der Frage, welchen Einfluss KI auf die Jobsicherheit im Bankensektor hat, geht Nicola Hunfeld in einem kürzlich veröffentlichen Blogartikel nach.
Je nach Zielgruppe bleiben jedoch auch menschliche Kommunikation und persönliche Beratung wichtig, insbesondere bei Themen wie Altersvorsorge, Investmentfonds oder Kredite, weswegen nicht alle Banken von ihrer traditionellen Rolle abrücken und sogar im Gegenteil ihr Filialnetz als USP verstehen und es beibehalten oder sogar ausbauen. Gerade für diese Tätigkeiten werden Bankkaufleute weiterhin gefragt sein. Aber auch bei abstrakteren Backoffice-Tätigkeiten können Mitarbeiter, die in der Kundenberatung ausgebildet wurden und tiefes Wissen über die Bankprodukte vorweisen können, Vorteile gegenüber den Kollegen haben, die an Hochschulen ausgebildet wurden.
Nachdem die BayernLB angekündigt hat, nicht weiter Bankkaufleute ausbilden zu wollen, wurde schnell klar, dass sie sich stattdessen vermehrt auf die Ausbildung von IT-Fachkräften sowie von Trainees und Dual-Studierenden konzentrieren wird. Damit folgt sie einem zunehmenden Trend hin zur Akademisierung von vormals nicht-akademischen Berufen. Gab es 2000 noch etwa gleich viele Azubis wie Studierende, hat sich der Anteil bis 2021 so verschoben, dass es mittlerweile mehr als doppelt so viele Studierende wie Azubis gibt.
Im Bankensektor wird dieser Trend durch veränderte Qualifikationsanforderungen vorangetrieben. Brauchten Banken früher noch mehr Allrounder wie Bankkaufleute, sind es heute besonders die spezialisierten Fähigkeiten wie Analyse von komplexen Daten, Expertise im Risikomanagement oder Meldewesen und Cybersecurity, in deren Richtung sich die Anforderungen verlagert haben.
Ein weiterer Grund, warum weniger junge Menschen den Beruf des Bankkaufmanns ergreifen wollen, sind die gewachsenen Ansprüche von Berufseinsteigern an ihren Arbeitgeber. Durch den demographischen Wandel können sich junge Leute heute ihren Arbeitgeber oftmals aussuchen. Banken werden oft als traditionell und konservativ wahrgenommen, wohingegen beispielsweise Startups als modern, innovativ und flexibel gelten.
Nach Angaben des Deutschen Startup Monitors könnten rund 60 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 24 Jahren vorstellen, in einem Startup zu arbeiten, während sich nur 30 Prozent für einen Job in einem großen Unternehmen entscheiden würden. Immer häufiger stehen bei Berufsanfängern nicht das Gehalt, sondern die Möglichkeit, sich zu verwirklichen und mit den Produkten und Werten des Arbeitgebers identifizieren zu können, im Vordergrund. Geforderte Werte wie Nachhaltigkeit, Agilität und Innovation stehen oftmals im Gegensatz zu den eher starren Hierarchien der Banken. Ob sich Banken durch die Berücksichtigung dieser Aspekte und verstärktes Employer Branding wieder mehr im Konkurrenzkampf um die Talente durchsetzen werden können, bleibt abzuwarten.
Verschiedene Faktoren haben zur Unsicherheit über die Zukunft des Jobs der Bankkaufleute geführt, sowohl auf Banken- als auch auf Bewerberseite. Dennoch können Bankkaufleute auf dem wandelnden Arbeitsmarkt bestehen und sich ihren Platz durch Besetzen spezialisierter Fähigkeiten und Tätigkeiten in veränderter Form sichern.
Bei den movisco-Kollegen mit Bankkaufmannsausbildung nachgefragt, stellt man schnell fest, dass sie die Ausbildung auch im Jahr 2023 nochmal machen würden und durch den großen Schatz an angeeignetem Wissen und Kundenkontakt als Grundausbildung definitiv empfehlen würden, jedoch ein anschließendes Studium oder eine Spezialisierung als erforderlich sehen.
Wir freuen uns über Ihre direkte Kontaktaufnahme!